Interview mit Julia Antoni, Stadtwerke Oberursel

Bei Ihrem Beitrag geht es um digitale Transformation und organisatorischen Change auf allen Ebenen. Warum ist das so wichtig?

Jeder Wandel ist ein Change-Prozess; wenn man nun zu einer „Digitalen Transformation“ bei einem Unternehmen spricht, wird der Wandel hin zu datengetriebenen Entscheidungen in Unternehmen gemeint und das ist aus meiner Sicht in erster Linie ein kultureller Wandel.

Am konkreten Beispiel, wenn bisher Entscheidungen nach oben delegiert wurden, auf Grundlage mangelnder Daten evtl. sogar aus dem Bauch heraus als „Management-Entscheidung“ getroffen wurde, so setzt eine datengetriebene Entscheidung zwingend voraus, dass Daten, Grundlagen und dazugehörige Zugänge, nicht nur im Management oder in einer Strategie oder Back-office Einheit vorliegen und zum Einsatz kommen. Vielmehr muss dieses Wissen und die Zugänge in der Organisation selbst liegen. Dies ändert ganze Prozesse und Zuständigkeiten – und zwar über sämtliche Organisationsebenen. Was automatisch zu einem Wandel in der Kultur führt - denn alle Abteilungen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen dann ein Mindset, um den Umgang und den Wert der Daten zu erfassen.

Der Weg dahin kann aber nicht von heute auf morgen gegangen werden und schon gar nicht kann man voraussetzen, dass dies überall auf Verständnis und Offenheit trifft. Denn jeder Wandel ist erstmal eine Herausforderung.

Der tiefgreifende kulturelle und organisatorische Wandel benötigt Zeit und Ressourcen und er muss auf allen Ebenen angegangen und abgeschlossen werden. Nur dann kann man von einem Unternehmen sprechen, dass „data-driven“ ist.


Wie gehen Sie als regionales Energieversorgungs- und Querverbundunternehmen damit um?

In einer schnelllebigen Zeit mit sich ständig änderden politischen Rahmenbedingen ist es aus meiner Sicht essenziell selbst den Kompass zu behalten und für sein Unternehmen/ Geschäftsfeld „Faktenbasiert, d.h. anhand von Daten“ zu entscheiden und neue Rahmenbedingungen bewerten zu können oder neudeutsch um sich „data-driven“ oder „data-minded“ aufzustellen: Dies geht nicht von heute auf morgen in einer Organisation, aus meiner Sicht sind es drei Bausteine, die dazu gehören, um sich dahin zu entwickeln.

An erster Stelle steht für mich der Mitmachwille und Kompetenz. Und zwar auf allen Ebenen der Organisation, zu schauen welche Daten habe ich, wie lese ich diese und vor allem was mache ich damit weiter, d.h. damit zu arbeiten, in eine Entscheidung mit einzubeziehen und klar zu kommunizieren. Das gelingt heute auch ungeübten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wesentlich einfacher als noch vor einigen Jahren. Man würde fast meinen der Umgang mit Daten sollte für alle im Unternehmen inzwischen eine selbstverständliche Kompetenz sein. Aber es gibt auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die heute noch nicht in der Lage sind, schnelle datengestützte Entscheidungen zu treffen. Hier braucht es dann entsprechende Schulungs- und Trainingskonzepte in Bezug auf Datenkompetenz, Technologien und Methoden im jeweiligen Arbeitskontext.

Auf diese Weise etablieren sich Wissen und Werkzeuge in der Breite. Die Sensibilisierung für Daten und deren Nutzen steigt. Elementar ist die Einführung von Tools und Technologien, die nicht nur von technisch affinen Mitarbeitenden verwendet werden, sondern auch für die breite Masse zugänglich sind und diese befähigen, datengetriebene Fragestellungen zu beantworten. Sei es MS Teams- für Infos zum Projekt oder die Auswertung der digitalen Telefonanlage zur Bewertung des Arbeitsaufkommens und der Entscheidung, ob man richtig aufgestellt ist.

An zweiter Stelle: Daten als faktenbasierte Entscheidungsvorlage konsistent einfordern - Leadership. Es gilt dann auch danach zu handeln, es müssen Taten folgen. Bei jeder Entscheidung Kennzahlen, Grundlagen, Daten einfordern und in einer Bewertung verwerten. So gelingt es Daten als strategische Ressource hinsichtlich der Prozessgestaltung, der Zielvorgaben und der Verantwortlichkeiten sowie der Rollen im Unternehmen zu verankern. So wird deutlich, dass Daten als Grundlage zur Unternehmenssteuerung und Entscheidungsfindung dienen können.

Und letztlich auch der Datenzugriff. Das setzt voraus, dass die Informationen und Zugriffe beim Fachbereich liegen, klare Verantwortliche benannt sind und allen klar ist, dass die Rechte dafür auch gewährt werden. Manchmal stehen wir uns hier mit Compliance und Datenschutz selbst im Weg, finde ich.

Ist die Frage welchen Ansatz verfolgt man: „Need to know“ versus „Right to know“. „Need to know“ ist der klassische Ansatz und erlaubt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur den Zugriff auf jene Daten, die sie für ihre (alltäglichen) Tätigkeiten explizit benötigen. Einen anderen Weg verfolgt der Ansatz „Right to know“. Hier liegt der Fokus auf einer Datendemokratisierung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten Zugang zu möglichst vielen Daten. Mit letzterer Variante steigen die Chancen, Datenpotenziale als Grundlage für Innovationen nutzen zu können. Wichtig ist es hier, Datenbedarfe zu identifizieren und Datenkonsumenten und -Produzenten bei der Bereitstellung und Nutzung zu unterstützen.

Denn nichts ist schlimmer als Daten, die in Silos stecken und Abteilungen, die von unterschiedlichen „Wahrheiten“ ausgehen. Und hier sind wir beim Vorteil vom Querverbund, man hat ja bereits viele Daten, von der Mobilität, vom Bad, von der Energie und das in einer kleinen Organisationen, wo jeder jeden kennt. Denn die Kommunikation und Verfügbarkeit von Informationen, d.h. Daten, ist bei jeder Transformation ein erfolgskritischer Faktor. Das ist natürlich in einem kleinen Unternehmen leichter schnell zu kommunizieren und sich auszutauschen als in großen Einheiten oder Organisationen.

Unser diesjähriges Motto ist „Herausforderung im Hier und Jetzt; Zwischen Resilienz, Digitalisierung und Komplexität“: Was sind die 3 größten aktuellen Herausforderungen für Energieversorger?

  • Demografischer Wandel, Fachkräfte gewinnen und halten
  • Finanzierbarkeit der Transformation
  • Kooperationen und Zusammenarbeit intern und extern wirklich leben

Eine allgemeingültige Lösung existiert nicht. Jedes Unternehmen steht vor individuellen Herausforderungen und benötigt dementsprechend seine ganz eigene Strategie. Letztendlich ist aber eine faktenbasierte Unternehmenswelt, beziehungsweise ein datengetriebenes Unternehmen, kein Zustand, sondern eine bewusste Entscheidung und der Anspruch an die Organisation, sich jeden Tag aufs Neue weiterzuentwickeln und den Fokus auf die Daten nicht aus den Augen zu verlieren. Der Wandel muss dabei auf allen Ebenen und an vielen Stellen gleichzeitig erfolgen, wenn sich der Nutzen daraus ergeben soll.

Was sind Ihre Erwartungen an die EVU Prozess & IT Tage 2023?

Impulse und Lösungen, Best Cases und natürlich gute Stimmung.

Lesen Sie mehr über die Stadtwerke Oberursel: www.stadtwerke-oberursel.de/

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